2. DIOXINE: Teil 1


Inhalt:

Teil 1:
Teil 2:
Teil 3:

2.1 Allgemeines:

2.1.1 Bezeichnung und Struktur der "Dioxine"

Die Bezeichnung "Dioxine" stammt aus der Nomenklatur für Heterocyclen nach dem Hantzsch-Widman-Patterson-System und bezeichnet ein ungesättigtes Sechsringsystem mit zwei Sauerstoffatomen. Der als extrem gefährlich identifizierte Wirkstoff, um den es bei den "Dioxinen" geht, ist jedoch insbesondere das 2,3,7,8-p-TCDD (Tetrachlordibenzo-para-Dioxin), das mit Abstand die höchste Giftigkeit besitzt. Andere, chemisch ähnliche Wirkstoffe (s. u.) sind jedoch ebenfalls Ultragifte, so daß sich eingebürgert hat, hier die Bezeichnungen "Substanzklasse des Dioxintypus" oder einfach "Dioxine" zu verwenden. Charakteristisch für die Anreicherung in biologischen Systemen ist die Selektionierung auf etwa 15 Verbindungen, die ausschließlich 2,3,7,8-substituiert sind und eine hohe chemische Stabilität aufweisen.

Die Allgemeine Formel für Ultragifte vom Dioxintypus lautet
(mit X, Y = C, O, N, S oder Leerstelle (z.B. Biphenylen)):

Abb. 1: Allgemeine Formel für Ultragifte vom Dioxintypus



Das Ultragift vom Dioxintypus besitzt eine "kritische Fläche" , die 90 - 95 Å beträgt:

Abb. 2: Kritische Fläche dioxinähnlicher Moleküle

Der giftigste Vertreter innerhalb der Dioxine ist das 2,3,7,8-p-TCDD (2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-Para-Dioxin):

Abb. 3: 2,3,7,8-p-TCDD

Einige weitere wichtige Ultragifte vom Dioxin-Typus:

Abb. 4: Ultragifte vom Dioxin-Typus (Kongenere)



Die ensprechenden Bromderivate sind von vergleichbarer Toxizität.

2.1.2 Weitere polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF):


Neben den 2,3,7,8-substituierten Verbindungen existieren weitere polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF), in denen die zwei Phenylringe unterschiedlichen Chlorierungsgrad besitzen können. Für die Chlor-Substitution stehen insgesamt acht Kohlenstoffatome zur Verfügung (1,2,3,4 und 6,7,8,9; s. Abb.) Es wurden bisher alle Kongeneren von Mono- bis Octa-Substitution nachgewiesen. Es gibt demnach genau 75 PCDD-Isomere und 135 PCDF-Isomere, wobei die höhere Anzahl der PCDF-Chlorhomologen auf eine fehlende Symmetrieebene gegenüber den PCDD-Chlorhomologen zurückzuführen ist.

Neben diesen rein chlorierten Isomeren gibt es auch die poly-bromierten Dibenzo-p-dioxine (PBDD) und Dibenzofurane (PBDF), sowie gemischt chloriert-bromierte Isomere.

Die bromierten Dioxine sind häufig thermische Umwandlungsprodukte von bromhaltigen Flammschutzmitteln, die in Kunststoffen und anderen brennbaren Materialien verwendet werden.

Durch die gemischt halogenierten Komponenten erweitert sich die Zahl der möglichen Dioxin- und Furan-Isomere auf weit über 1000.

2.2 Freisetzung der Dioxine:

Dioxine werden nicht hergestellt, sondern entstehen unbeabsichtigt, wenn fehlgesteuerte Synthesen, z.B. Herstellung von 2,4,5-T (2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure; Anwendung z.B. als Entlaubungsmittel im Vietnamkrieg; Codename: "Agent-Orange") oder Hexachlorophen (zur Hautdesinfektion) ablaufen.

Abb. 5: 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure

Abb. 6: Hexachlorophen

Generell entstehen Dioxine i.a. bei thermischen Prozessen wie z.B. bei der Müllverbrennung bzw. bei unkontrollierten Bränden. Höhere Temperaturen (T > 150 grad C), höhere Drücke (p > 100.000 Pa), alkalische Reaktionsmedien und Anwesenheit von Kupfer und Kohlenstoff begünstigen die intermolekulare Kondensation passender Fragmente zu Dioxinen. Als Beispiel einer "unkontrollierten Reaktion" mit Dioxin-Bildung sei die intermolekulare Kondensation chlorierter Phenolate angeführt:

Abb. 7: Intermolekulare Kondensation chlorierter Phenolate

Industrielle Entstehung der Dioxine
Allgemein enstehen Dioxine bei chemischen Prozessen folg. Art in der angegebenen Prioritätenfolge:

Weiterhin nachgewiesen ist die Bildung von PCDD und PCDF beim Bleichen von Zellstoff und Papier im ng/kg-Bereich [75] sowie bei der Chlorung von Trinkwasser im pg/L-Bereich [74] . Im Alltag begegnen Dioxine in Trafokühlmitteln PCB , dem Kunststoff PVC oder dem Holzschutzmittel PCP . Der Benzinzusatz Dichlorethan (Verhinderung von Bleirückständen) ist für Dioxine in Autoabgasen verantwortlich.

Die Environmental Protection Agency (EPA) hat eine Liste derjenigen Stoffe zusammengestellt, bei deren technischer Herstellung mehr als 500 kg/a Dioxine gebildet werden können [82] . Die Liste umfaßt vier Untergruppen und enthält 84 organische Chemikalien und 33 Biozide zuzüglich diverser Formulierungen und Darreichungsformen.

Hervorgehoben seien

Diese Stoffe könen PCDD/F sowohl bei der Herstellung bilden, als auch in den Endprodukten enthalten. Es wurden z.B. im 2,4,5-Trichlorphenol bzw. dessen Natriumsalz 2,7-DCDD, 1,3,6,8- und 2,3,7,8-TCDD sowie PeCDD in ppm-Konzentrationen nachgewiesen. 1863 t Abfälle der 2,4,5-Trichlorphenol-Produktion, die 1981 durch Seeverbrennung entsorgt wurden enthielten 3,8 kg 2,3,7,8-TCDD [83] .

Folg. Mengen PCDD/F wurden in einigen Chemikalien gemessen [10] :

Tab. 1: PCDD/F in einigen Chemikalien

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Chemikalie gemessene Menge PCDD/F
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PCP (Chlophen A 60) ca. 8 ppm (PCDF)
Hexachlorophen ca. 15 ppb (2,3,7,8-TCDD)
Elektrodenschlamm ca. 300 ppb (HpCDF, OCDF u.a.)
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Im weitesten Sinne sind alle Verbrennungsprozesse Hauptbildungswege für PCDD und PCDF. Bei bestimmten Verbrennungsprozessen können unter geeigneten strukturellen Voraussetzungen (insbesondere unter Beteiligung von Cl-Donatoren und einem Temperaturbereich von 300 - 600 grad C) hohe Mengen an toxischen Substanzen wie chlorierte Phenole, Aromaten etc., aber auch PCDD und PCDF gebildet werden. Die Thermolyse von 2,4,5-T als Reinsubstanz im Temperaturbereich von ca. 400 grad C in Anwesenheit von Sauerstoff führt bsp.weise zur Bildung von bis zu 0,5 % 2,3,7,8-TCDD [76] .


Exkurs: Müllverbrennungsemissionen

 
In Müllverbrennungsanlagen (MVAs) entstehen Dioxine bevorzugt in einem mittleren Temperaturbereich [77, S. 557-584] . Im Modellexperiment konnte nachgewiesen werden, daß neben der Dioxin/Furan-Bildung in der Verbrennungszone ein sehr wirksamer Mechanismus für die Neubildungssynthese auf Flugaschepartikeln in der Abkühlzone im Bereich von ca. 300 grad C existiert. Verantwortlich sind hierfür die Restkohlenstoffgehalte sowie KCl und CuCl(2) auf Flugasche, wobei ein Bildungsoptimum bei ca. 2,25 % C-Gehalt und 2 h Verweilzeit zu erkennen sind [78] .

Derzeit existieren 47 MVA-Anlagen in der BRD (Stand: 1994). Es sind weitere 120 Anlagen mit einem Gesamtwerte von 30 - 40 Mrd. DM geplant, darunter 10 Sondermüllverbrennungsanlagen. M. Daunderer [9, III-3, Müllverbrennungsemissionen S. 1] beschreibt die Problematik der MVAs folgendermaßen (die %-Zahlen beziehen sich auf die eingebrachte und anschließend verbrannte Menge Müll):

1. Die Problematik der Müllverbrennung:

Die jährliche Emission von 2,3,7,8-TCDD aus MVAs in der BRD kann nur sehr grob abgeschätzt werden und dürfte ca. 4 kg betragen (Seveso 400 g!) [81]

Dioxine: Teil 2

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Letzte Aktualisierung:  12/1995